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10.10.2022 Register Treptow-Köpenick

Jahresbericht 2021 der Berliner Register - Treptow-Köpenick


Cover des Jahresbericht 2021 der Berliner Register, in einem hellem Grün mit einem Foto von der Spree mit Blick auf den Molecule Man

Treptow-Köpenick ist der flächengrößte Bezirk Berlins und einer der grünsten. In seinen 15 Bezirksregionen wohnen fast 280.000 Menschen. Dabei unterscheiden sich diese Regionen stark - vom fast innenstädtischen Alt-Treptow bis nach Schmöckwitz an der Grenze zu Brandenburg. Diese regionalen Unterschiede in Bevölkerungsdichte und -struktur spiegeln sich auch in den Registerdaten wider. Im Bezirk befindet sich zudem die NPD-Bundeszentrale.

Es wird eine Karte mit den Ortsteilen in Treptow-Köpenick angezeigt. Auf den Ortsteilen sind Balken mit der Anzahl der Vorfälle für die Jahre 2020 und 2021 zu sehen. Die Anzahl der Vorfälle im Bezirk ist von 329 im Jahr 2020 auf 387 im Jahr 2021 gestiegen. Die meisten Vorfälle hat demnach Adlershof mit 62, im Vorjahr 35. Es folgt Alt-Treptow mit 40, im Vorjahr 46. Die dritthöchste Zahl hat Niederschöneweide mit 42, im Vorjahr 57. In In Köpenick-Nord wurden 35 Vorfälle erfasst, im Jahr 2020 nur 17. Die Dammvorstadt weist 26 Vorfälle auf, im Vorjahr waren es 23. Es folgen Altglienicke mit 28 Vorfällen, im Vorjahr 14, Friedrichshagen mit 21 Vorfällen, im Vorjahr 9, Oberschöneweide mit 19 Vorfällen, im Vorjahr 21, Johannisthal mit 18 Vorfällen, im Vorjahr 11, Plänterwald mit 13, im Vorjahr 13, Baumschulenweg 11, im Vorjahr 27, das Allendeviertel mit 10, im Vorjahr 11, die Köpenicker Altstadt mit 5 Vorfällen, im Vorjahr 8, Wendeschloss in beiden Jahren 4 Vorfälle, Rahnsdorf 3, im Vorjahr 2, Müggelheim in beiden Jahren 2 Vorfälle, Bohnsdorf 2 Vorfälle, im Jahr davor 0 und Schmöckwitz mit je einem Vorfall pro Jahr ist das Schlusslicht. Vorfälle bei denen der Ortsteil unbekannt blieb, wurden 20 erfasst, im Vorjahr 10. Im Internet wurden 2021 6 Vorfälle erfasst. Im Vorjahr waren es 3.

Im Jahr 2021 wurden 387 Vorfälle dokumentiert (2020: 329). Das entspricht einer Steigerung um ca. 18 % und ist eines der höchsten Ergebnisse seit der Erfassung durch das Register im Bezirk (Ausnahme 2018: 448). Der Zuwachs spiegelt sich in allen Kategorien wider, außer im Bereich der Angriffe, in dem es dieses Jahr zu einer Untererfassung kam. Inhaltlich war das Jahr durch den Wahlkampf geprägt, was einen starken Anstieg des Motivs der (extrem) rechten Selbstdarstellung zur Folge hatte.

Untererfassung der Angriffe – Anstieg der Bedrohung, Beleidigungen, Pöbeleien

Die Angriffe sind 2021 stark gesunken. Es wurden mit insgesamt 13 Angriffen nur halb so viele dokumentiert wie im Vorjahr (2020: 27). Dies ist darauf zurück zu führen, dass es im Jahr 2021 eine Untererfassung gab. Aus diesem Grund gibt es in ganz Berlin trotz deutlich gestiegener Anzahl von Meldungen, weniger dokumentierte Gewaltvorfälle. Dagegen sind die Bedrohungen/ Beleidigungen/ Pöbeleien wieder stark gestiegen (+ 14) und mit insgesamt 51 dokumentierten Vorfällen nahe dem Niveau der Jahre vor Beginn der Corona-Pandemie (2018: 55; 2019: 52). Es zeigt sich zum einen, dass die durch die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie eingeschränkte Mobilität durch andere Orte ersetzt wurde, beispielsweise durch den Aufenthalt in Parks (starker Anstieg der Vorfälle im Treptower Park). Zum anderen gab es aufgrund des Wahlkampfes eine Verschiebung der Bedrohungen/ Beleidigungen/ Pöbeleien hin zu politischen Gegner*innen (+ 9). Zudem wurden vermehrt NS-verherrlichende Pöbeleien gemeldet (+ 7), was sich bereits im Vorjahr durch eine stark gestiegene Propaganda in diesem Bereich abzeichnete. Obwohl immer noch die meisten Übergriffe rassistisch motiviert waren, gab es bei diesem Motiv einen starken Rückgang. Dies lässt sich sowohl durch die Untererfassung der Angriffe erklären (sie waren in der Vergangenheit zu ca. 70 % rassistisch motiviert), als auch durch die Konzentration auf die Corona-Pandemie und den Wahlkampf, der in diesem Jahr weniger rassistisch aufgeladen war als in anderen. Die meisten Übergriffe wurden in Alt-Treptow (12) dokumentiert, gefolgt von Niederschöneweide (8).


Vorfallarten: Alltagsrassismus und aktive rechte Szene


Aufgrund des Wahlkampfes haben sich die Veranstaltungen im Jahr 2021 verdoppelt. Allein 14 Veranstaltungen dienten dem Wahlkampf der NPD, hinzu kamen weitere fünf Veranstaltungen der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“. Im Gegensatz zu vielen anderen Bezirken hat Treptow-Köpenick eine aktive rechte Szene. Die dokumentierten Sachbeschädigungen (20) und Strukturellen Benachteiligungen (18) sind sogar noch stärker gestiegen. Auch die Sachbeschädigungen fanden mehrheitlich im Kontext des Wahlkampfes statt. Dagegen stiegen die Strukturellen Benachteiligungen durch den Ausbau der Kooperationen. So wurden mehr Vorfälle von Beratungsstellen aus dem Antidiskriminierungsbereich aufgenommen und damit rassistische Alltagsdiskriminierung besser dargestellt. Auch die Propaganda ist leicht gestiegen (+ 26), jedoch ist dabei ihr Anteil an der Gesamtzahl der Vorfälle um 4 % gefallen. Inhaltlich standen die Themen Rassismus, NS-Verharmlosung/Verherrlichung und (extrem) rechte Selbstdarstellung mit jeweils ca. 25 % der Propaganda im Vordergrund. Über die Hälfte der Propaganda (hauptsächlich Aufkleber) stammte von den extrem rechten Parteien NPD und III. Weg, die auf diese Weise ihren Wahlkampf ergänzten. Nach dem starken Hoch von NS-verherrlichender Propaganda im Vorjahr ist diese zwar rückläufig (- 33), was sich jedoch nur durch einen massiven Rückgang von neonazistischen Zahlencodes zeigt, wogegen die Menge der Hakenkreuze weiter stieg.


Inhaltliche Zuordnung: Wahlkampf beeinflusst die Motive


Auch in der inhaltlichen Verteilung der Vorfälle spiegelt sich der Wahlkampf im Jahr 2021 wider. So nahm das Motiv der (extrem) rechten Selbstdarstellung stark zu (+ 252 %). Dies zeigt sich insbesondere in den Kategorien Veranstaltungen und Propaganda. Zwar auf einem geringeren Vorfallsniveau, aber trotzdem deutlich, stiegen die Motive Antisemitismus (+ 92 %) und LGBTIQ*-Feindlichkeit (+ 100 %). Im Themenfeld Antisemitismus hat vor allem die Propaganda zugenommen (+ 9), was durch den starken Anstieg der Aktivitäten der neonazistischen Kleinstpartei III. Weg im Bezirk zu erklären ist. Bei den LGBTIQ*-feindlichen Vorfällen sind es insbesondere die Übergriffe, die weiter gestiegen sind. So wurden 5 Angriffe (+ 2) und 5 Beleidigungen /Bedrohungen/ Pöbeleien (+ 3) dokumentiert. Das ist der höchste Stand seit Erfassung durch das Register im Bezirk und das trotz der bereits genannten Untererfassung. Das Hauptmotiv aller dokumentierten Vorfälle bleibt allerdings Rassismus mit 31 %. Anders als in allen anderen Bezirken wirken sich Proteste gegen die Maßnahmen der Corona-Pandemie nur in geringem Maß auf die Anzahl und Inhalte der dokumentierten Vorfälle aus.


Verteilung nach Ortsteilen: Adlershof löst Niederschöneweide an der Spitze ab


Adlershof (62) hat im Jahr 2021 erstmals seit vielen Jahren Niederschöneweide (42) als Ortsteil mit den meisten Vorfällen abgelöst. Damit setzte sich der steigende Trend in Adlershof weiter fort (2018: 31; 2019: 37; 2020: 35). Dies ist insbesondere auf die stark gestiegene Anzahl (+ 26) von dokumentierten Propaganda-Vorfällen zurückzuführen. Hier waren es vor allem die extrem rechten Parteien NPD und III. Weg, die durch teilweise sehr große Aufkleber-Serien (bis zu 100 Stück) auffielen. Hinzu kommt ebenfalls, dass sich aufgrund der steigenden
Vorfälle die lokale Initiative „Adlershof gegen Rechts“ gegründet hat und damit die Meldestruktur deutlich verbessert werden konnte. Ein anderer Ortsteil mit einem starken Anstieg (+ 100 %) der Vorfälle ist Altglienicke. Hier ist insbesondere der nördliche Teil von NS-verherrlichender Propaganda wie Hakenkreuzen betroffen. Die größte prozentuale Steigerung der Vorfälle wurde jedoch in Friedrichshagen dokumentiert (+
133 %). Es sind insbesondere die rassistisch motivierten Sachbeschädigungen und Beleidigungen/ Bedrohungen/ Pöbeleien, die einen Zuwachs verzeichnen. Besonders ist hierbei, dass 11 rassistisch motivierte Vorfälle miteinander in Verbindung gebracht werden können. Diese Vorfälle fanden am gleichen Ort statt und sind vermutlich auf eine Person zurückzuführen.


Entwicklung der extrem rechten Parteien


Der Anteil der Vorfälle, der auf extrem rechte Parteien zurückzuführen ist, war im Jahr 2021 besonders hoch. Aus diesem Grund wurde eine vertiefte Analyse der Entwicklung von NPD und ihrer Jugendorganisation JN sowie des „III. Wegs“ erstellt. Der Anteil dieser Parteien an den gesamten Vorfällen in einem Jahr lag in den letzten fünf Jahren bei durchschnittlich 21 %. Im Jahr 2021 stieg er auf 34 %. Das hat zum einen mit dem Wahlkampf zu tun. Die Aktivitäten der NPD sind in ganz Berlin in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Die Partei konnte ihre Mitglieder kaum noch mobilisieren und hat wenig eigene Aktionen durchgeführt. Jedoch liegt in der Köpenicker Dammvorstadt ihre Bundeszentrale, die aktuell einer der letzten Treffpunkte der extremen Rechten in Berlin ist. Von hier aus ist es organisatorisch leichter, in Treptow-Köpenick Wahlkampfstände durchzuführen, auf denen auch viel Material verteilt und so die Aktivität der NPD wieder verstärkt wurde. Zum anderen etabliert sich nun auch in Treptow-Köpenick der III. Weg. Ehemalige Anhänger und Anhängerinnen der NPD wechseln hierhin. Die Partei scheint eine attraktive Alternative zur NPD zu sein. So haben sich die Vorfälle im Zusammenhang mit dem III. Weg in den letzten zwei Jahren jeweils verdoppelt. Dabei kam es im Zusammenhang mit Ständen der Partei in der Vergangenheit mehrfach zu Bedrohungen.

Beispielvorfälle

24. April 2021
Während die neonazistische Kleinstpartei III. Weg am Marktplatz in Adlershof einen Infostand durchführte, versuchte ein Neonazi am Wohnort eines linken Journalisten in Adlershof, Flyer in dessen Briefkasten zu stecken. Der Betroffene stellte den Neonazi zur Rede. Dieser bedrohte ihn daraufhin: „Hat es nicht schon genug gebrannt?“. Da es sich bei dem Neonazi um den Hauptverdächtigen der Anschlagsserie in Neukölln handelte und dem linken Journalisten bereits im Jahr 2014 zweimal das Auto angezündet wurde muss diese Aussage als Drohung interpretiert werden. Als der Journalist daraufhin den Neonazi zum Gehen aufforderte, reagierte dieser mit der Drohung, mit 10 weiteren Leuten wiederzukommen.
Quelle: Register Treptow-Köpenick


2. Juni 2021
Aus rassistischer Motivation wurde einer Frau im Bezirk Treptow-Köpenick die ärztliche Beratung verweigert.
Quelle: AnDi-App


5. Juni 2021
In der Nacht standen mehrere queere Menschen an der Bushaltestelle am S-Bhf. Treptower Park. Als der Bus eintraf, stieg eine Gruppe junger Männer aus, die die Betroffenen sofort mehrfach als „Schwuchteln“ beleidigten. Die Betroffenen forderten daraufhin die Täter auf, dies zu unterlassen. Anschließend kamen drei der Täter zurück zum Bus, in den die Betroffenen bereits eingestiegen waren. Ein Täter bespuckte eine Person, ein anderer deutete mehrfach Tritte an, sodass die Bustür sich nicht schloss. Nochmals forderten die Betroffenen die jungen Männer zum Gehen auf, woraufhin ein Täter einer betroffenen Person mit der Faust ins Gesicht schlug, sodass diese verletzt wurde.
Quelle: Meldebogen Berliner Register


14. September 2021
Am Nachmittag warben drei Mitglieder des Kreisverbandes Treptow-Köpenick von Bündnis 90/Die Grünen mit einem Wahlkampfstand an der Ecke An der Wuhlheide/ Edisonstr. für ihre Partei. Ein Mann auf einem Fahrrad fuhr langsam und nah über den Gehweg am Stand vorbei und sagte dabei an die Wahlkämpfer*innen gewandt: „Euch sollte man alle an die Wand stellen.“ Danach entfernte er sich über die Ampel über An der Wuhlheide.
Quelle: Bündnis 90/ Die Grünen, Kreisverband Treptow-Köpenick


10. Dezember 2021
Der auf dem Marktplatz Adlershof aufgestellte Chanukka-Leuchter wurde massiv beschädigt. Nachdem bereits das Schild am Leuchter verschwunden war, wurden nun auch die Halter der Lichter nach unten gebogen. Auch in anderen Bezirken gab es Sachbeschädigungen an Chanukka-Leuchtern.
Quelle: TKVA - Treptow-Köpenick für Vielfalt und gegen Antisemitismus

Alle bezirklichen Artikel und weitere Beiträge finden sich in der Jahresauswertung 2021 der Berliner Register.

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