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29.03.2022 Koordinierung der Berliner Register

Auswertung für 2021: Berliner Registerstellen verzeichnen Höchststand rechter, rassistischer und antisemitischer Vorfälle


ein Stapel Papier mit Pressemitteilung und Grafischen Auswertungen

Am 29.3.2022 erschienen die Ergebnisse aus der Dokumentation der Berliner Register für das Jahr 2021. Dazu gibt es Auswertungen für jeden Bezirk und eine für ganz Berlin.

Pressemappe:

Bezirkliche Auswertungen:

Zusammenfassung der Ergebnisse für Berlin

Für das Jahr 2021 haben die Berliner Registerstellen gemeinsam mit ihren Kooperationspartner*innen 4841 Vorfälle (2020: 3822) mit extrem rechtem, rassistischem, antisemitischem, LGBTIQ*-feindlichem, sozialchauvinistischem und behindertenfeindlichem Hintergrund dokumentiert. Im Durchschnitt wurden in der Dokumentation pro Tag 13 Vorfälle aufgenommen. Der Anstieg der Vorfälle um 26 Prozent basiert auf einem Anstieg von antisemitischen Vorfällen (+269), rassistischen Diskriminierungen (+217) und Propaganda (+708). Angriffe (2020: 372; 2021: 294) machen 6 Prozent der Gesamtzahl aus. 15 Prozent sind Beleidigungen und Bedrohungen (2020: 632, 2021: 732). Fälle von struktureller Benachteiligung haben einen Anteil von 8 Prozent an der Gesamtzahl (2020: 174; 2021: 398). Propaganda ist mit 61 Prozent aller Vorfälle die größte Kategorie (2020: 2234; 2021: 2951). Veranstaltungen gehen mit 6 Prozent in die Auswertung ein (2020: 291; 2021: 293), während Sachbeschädigungen (2020: 92; 2021: 141) und Sonstige Vorfälle (2020: 46; 2021: 32) machen zusammen 4 Prozent der Vorfälle aus.

29 Prozent aller Vorfälle sind rassistisch motiviert (2020: 1306; 2021: 1428), 22 Prozent antisemitisch (2020: 774; 2021: 1043). 15 Prozent waren der Verharmlosung des Nationalsozialismus (2020: 619; 2021: 720) und 16 Prozent der rechten Selbstdarstellung (2019: 323; 2020: 499) zuzuordnen. 12 Prozent der Vorfälle richteten sich gegen politische Gegner*innen (2020: 383; 2021: 563), 4 Prozent waren LGBTIQ*-feindlich motiviert (2020: 169; 2021: 198), 1 Prozent waren behindertenfeindlich (2020: 64; 2021: 66) und sozialchauvinistisch (2021: 21; 2020: 9). Aus den Daten für 2021 gehen vier Entwicklungen hervor:

  1. Anstieg von Propaganda: Corona-Leugner*innen und "Querdenker*innen" benutzten Holocaust-Vergleiche und NS-Symbolik, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu protestieren. Protestierende verglichen sich mit politischen und jüdischen Verfolgten der NS-Diktatur. Beispiele sind der Davidstern mit der Aufschrift „Ungeimpft“, die Parole „Impfen macht frei“, die an die Toraufschrift „Arbeit macht frei“ an mehreren NS-Konzentrationslagern erinnert, die Bezeichnung der Impfung gegen Covid-19 als Menschenversuch nach Vorbild des NS-Arztes Joseph Mengele oder die Bezeichnung bundeseinheitlicher Regelungen zur Pandemiebekämpfung als „Ermächtigungsgesetz“. Dieses Spektrum an Protestierenden ergänzte das sonst übliche Aufkommen an Propaganda erheblich. Hinzu kommt das Wahljahr und damit der Wahlkampf im Jahr 2021 in Berlin. Extrem rechte Parteien warben für sich selbst und ihre Ideologien. Auch das führte zum Anstieg der Propaganda.
  2. Anstieg antisemitischer Vorfälle: Der Anstieg ist nicht allein auf Holocaust- und NS-verharmlosende Äußerungen im Zusammenhang mit der Pandemie zurückzuführen. So dokumentierte die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus Berlin vor dem Hintergrund der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der islamistischen Hamas allein zwischen dem 9. Mai und 8. Juni 226 antisemitische Vorfälle. Mehr als die Hälfte dieser Fälle ereignete sich Online (123): per E-Mail oder in den sozialen Netzwerken wurden insgesamt 53 jüdische / israelischen Personen und in 104 Fällen jüdische / israelische Organisationen gezielt angefeindet. In dem Zeitraum wurden jedoch auch sechs antisemitische Angriffe bekannt. Zudem wurden auf 18 Demonstrationen antisemitische Parolen gerufen. Als im Oktober der jüdische Sänger Gil Ofarim Antisemitismus in einem Leipziger Hotel beklagte, erhielten jüdische Organisationen und Einzelpersonen massenhaft antisemitische Zuschriften. Dass sich Gewalt gegen die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Berlin auch losgelöst von politischen Entwicklungen im Nahen Osten oder der Corona-Pandemie ereignen, belegen vier zerstörte Chanukka-Leuchter im Dezember in den Bezirken Lichtenberg, Mitte, Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg.
  3. Dunkelfeld an Diskriminierungen wird heller: Mehr Beratungsstellen, die bei Diskriminierung beraten, stellen den Registern Vorfallsdaten zur Verfügung. Es ist anzunehmen, dass der Anstieg der Fallzahlen in der Kategorie „Strukturelle Benachteiligung“ auf die neuen Quellen zurückzuführen ist. 86 Prozent dieser Fälle haben einen rassistischen Hintergrund. Diese Fälle steigen nicht an, weil sie häufiger passieren, sondern weil sie dank der Beratungsstellen und der Betroffenen, die sie melden, sichtbarer werden.
  4. Vereinfachte Meldewege: Je einfacher Vorfälle gemeldet werden können, desto eher werden sie gemeldet. Die Registerstellen haben 2021 ihre Präsenz in sozialen Netzwerken erhöht. Alle Register hatten befristet auf ein Jahr mehr Personal und konnten Zeit in Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit investieren. Ein Meldeformular auf der neu gestalteten Internetseite, die Antidiskriminierungs-App (AnDi) und bezirkliche Messenger-Gruppen ermöglichen Meldungen von unterwegs.

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