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11.10.2022 Register Steglitz-Zehlendorf

Jahresbericht 2021- Das Register Steglitz-Zehlendorf


Das Cover des Jahresberichts 2021 der Berliner Register. Das Layout ist in den Farben grün und weiß. In der unteren Hälfte ein Foto mit Sicht auf die Spree in der Abenddämmerung und die Molecule Men.

Steglitz-Zehlendorf ist ein Randbezirk, der im Südwesten von Berlin liegt. Von der Fläche her ist Steglitz-Zehlendorf der drittgrößte Bezirk Berlins. Es leben dort etwa 310.000 Menschen (Stand 31.12.2021). Sowohl von der Nutzung und Landschaft her, als auch von seiner Einwohner*innenstruktur ist der Bezirk sehr vielfältig. Sehr grün und wasserreich mit dem Wannsee oder dem Schlachtensee auf der einen Seite und große Einkaufsstraßen wie die Schloßstraße auf der anderen. Es gibt bekannte Villenviertel und gleichzeitig Hochhaussiedlungen, auf denen viele Menschen eng zusammenleben. Steglitz-Zehlendorf ist ein Wissenschaftsstandort mit einer Universität, einer Hochschule (Freie Universität und Evangelische Hochschule) und weiteren Forschungseinrichtungen wie dem Max-Planck-Institut oder dem Campus der Charité Benjamin Franklin. Seit der Wahl im September 2021 hat der Bezirk eine Bürgermeisterin aus der Partei Bündnis 90/ Die Grünen. Vorher wurde der Bezirk 20 Jahre von der CDU regiert.

Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf wurden 2021 insgesamt 133 Vorfälle erfasst. Das sind 14 Vorfälle weniger als im Jahr 2020.

66% dieser Vorfälle waren Propaganda, in Form von Aufklebern, Flyern und Sprühereien, 12% Beleidigungen, Pöbeleien und Bedrohungen und 11% Strukturelle Benachteiligung. Die Zahl der Propagandavorfälle unterscheidet sich nicht groß von den Vorfällen im Jahr 2020. Die Zahl der Beleidigungen, Bedrohungen und Pöbeleien sank leicht um sechs Vorfälle, wohingegen an Struktureller Diskriminierung acht Vorfälle mehr gemeldet wurden als 2020.

Rassismus bleibt, wie auch 2020 mit 38% der Vorfälle das häufigste Motiv für Diskriminierung. Dahinter folgt das Motiv der Rechten Selbstdarstellung mit 29% und Antisemitismus mit 11%.

Es wird eine Karte mit den Ortsteilen in Steglitz-Zehlendorf angezeigt. Auf den Ortsteilen sind Balken mit der Anzahl der Vorfälle für die Jahre 2020 und 2021 zu sehen. Die meisten Vorfälle hat demnach Steglitz mit 30 Vorfällen, im Vorjahr waren nur es noch 44 Vorfälle. Im Ortsteil Wannsee sind es 25 Vorfälle, im Vorjahr waren es 9. In Zehlendorf wurden 23 Vorfälle erfasst, im Vorjahr waren es 19. In Lichterfelde wurden 12 Vorfälle aufgenommen, im Jahr davor waren es 19. Dahlem folgt mit 10 Vorfällen, im Vorjahr 2. Lankwitz weist 5 Vorfälle auf, im Vorjahr 4 und Nikolassee 2, im Vorjahr 4. Vorfälle bei denen der Ortsteil unbekannt bleibt waren 18, im Vorjahr 20. Vorfälle im Internet wurden 8 dokumentiert, im Vorjahr 26.

In den Ortsteilen Steglitz und Zehlendorf wurden wie auch 2020 die meisten Vorfälle gemeldet. In Steglitz sank die Zahl von 44 auf 30 Vorfälle, in Zehlendorf stieg sie leicht von 19 auf 23. Steglitz bleibt mit 23% der Ortsteil mit den meisten Vorfällen im Bezirk. Besonders oft passieren Vorfälle dort, wo viele Menschen aufeinandertreffen, z.B. an und in Öffentlichen Verkehrsmitteln und Einkaufsstraßen. Dort, wo viele Menschen zusammenkommen, gibt es mehr Gelegenheiten bei welchen potenzielle Täter*innen auf Menschen treffen, die sie attackieren können. Hinzu kommt, dass Aufkleber dort geklebt werden, wo sie viel Aufmerksamkeit erhalten. Vom S- und U-Bahnhof Steglitz werden deshalb immer wieder Vorfälle gemeldet.

Seit Dezember 2020 hat Steglitz-Zehlendorf insgesamt acht Ortsteile, durch die Ernennung von Schlachtensee als Ortsteil. Dieser war bisher im Ortsteil Wannsee integriert und wird erst in den folgenden Jahren einzeln ausgewertet. Für 2021 wurde dort nur ein Vorfall erfasst. In Wannsee sind die Vorfallszahlen im Jahr 2021 gestiegen mit 25 gezählten Vorfällen im Vergleich zu 9 im Jahr 2020. Die gemeldeten Vorfälle kommen dabei hauptsächlich von einer meldenden Person (18 der Vorfälle). Es handelt sich hierbei zum größten Teil um Propaganda in Form von Aufklebern und Schmierereien. Die meldende Person hat im Jahr 2021 und in den Jahren davor regelmäßig rechte, rassistische und teils antisemitische Sticker und Schmierereien entdeckt und entfernt.

Entwicklungen im Jahr 2021

Der Rückgang der Zahlen im Gesamtbezirk lässt sich durch die Dynamiken im Zusammenhang mit der Pandemie erklären und damit, dass die ohnehin wenigen Akteur*innen der extremen Rechten kaum in Erscheinung getreten sind. Laut Melder*innen und Netzwerkpartner*innen waren vorwiegend verschwörungsideologische Vorfälle zu finden. Die konnten vom Register aber nur dann erfasst werden, wenn sie in die inhaltlichen Kategorien passten. Das bedeutet, dass sie antisemitisch, NS-verharmlosend oder extrem rechts sein müssen. Durch die Pandemie haben sich außerdem Öffnungszeiten von Anlaufstellen geändert oder sie waren ganz geschlossen. Auch deswegen kann es zu weniger Meldungen gekommen sein.

Bekannte rechte Akteur*innen des Bezirks hatten sich 2021 mehr ins Private zurückgezogen. Es fanden weniger öffentliche Veranstaltungen statt (2021: 1; 2020: 13). Einige haben die Nähe zu Verschwörungsgläubigen und Querdenker*innen gesucht und im Rahmen dessen Veranstaltungen mitgestaltet, die nicht in der Registerchronik erfasst wurden (siehe oben).

Rassismus blieb das Hauptmotiv unter den Vorfällen (51). Darunter fielen Propagandavorfälle (2021: 17; 2020: 30), Beleidigungen, Pöbeleien und Bedrohungen (2021: 11; 2020: 17) und vermehrt strukturelle Diskriminierung (2021: 14; 2020: 5). Körperliche und verbale Gewalt kommen dabei von Bürger*innen des Bezirks und geschehen im Alltag, bei Einkäufen, bei Bahnfahrten oder Besuchen von Parks.

Corona und Antisemitismus

Die Corona Pandemie und damit verbundene Phänomene wie Querdenker*innen oder Impfgegner*innen zeigten sich auch in einzelnen Vorfällen. Besonders die Vergleiche der Impfgegner*innen mit Jüd*innen während des zweiten Weltkrieges verharmlosen die NS-Zeit und führen zu antisemitischen Vorfällen. Auch in Steglitz-Zehlendorf haben solche Vorfälle im Jahr 2021 stattgefunden (insgesamt 12 von 15 Vorfällen). In Wannsee beispielsweise tauchten Sticker und Sprühereien mit dem Spruch „Bargeldlos nach Auschwitz“ auf und im Gästebuch des Hauses der Wannsee-Konferenz fanden sich Einträge, welche die Shoa relativierten und sich auf die COVID-Impfung bezogen.

Strukturelle Benachteiligung und Schulen

Die Vorfälle von struktureller Benachteiligung sind gestiegen (2021:14; 2020: 6). Darunter finden sich antiziganistische Vorfälle, bei denen Menschen im Jobcenter Leistungen verweigert wurden und rassistische Vorfälle an Schulen. Insbesondere unser Netzwerkpartner ADAS hat im Jahr 2021 elf Vorfälle gemeldet, die an Schulen im Bezirk stattgefunden haben. Zwei weitere Vorfälle an Schulen sind von den Registern gemeldet worden.

Was Vorfälle struktureller Diskriminierung auszeichnet ist das hohe Maß an Abhängigkeit der Betroffenen gegenüber denjenigen, die sie diskriminieren. Eine Person, die auf Leistungen des Jobcenters angewiesen ist und deren Existenz von diesen Leistungen abhängt, überlegt es sich gut, ob sie eine Diskriminierung meldet. Dazu kommen Unsicherheiten und Nicht-Wissen über eigene Rechte. Gleiches gilt für Menschen, die Diskriminierung an Schulen erfahren, sowohl auf Schüler*innen-, als auch auf Lehrer*innen-Seite. Die meisten Betroffenen an Schulen im Jahr 2021 waren Schüler*innen, die entweder durch andere Schüler*innen oder durch Lehrkräfte diskriminiert wurden. Auch hier gibt es Abhängigkeiten durch die Enge und die Gruppendynamik im Klassenraum, sowie durch Notengebung des Lehrpersonals und damit verbunden die Weichenstellung für das weitere Berufsleben. Um Betroffene zu schützen und auf deren Wunsch, werden Vorfälle struktureller Benachteiligung von den Berliner Registern zum größten Teil anonymisiert dokumentiert. Das Melden von Diskriminierung sollte keine negativen Konsequenzen für die Betroffenen oder die Melder*innen haben.

Dunkelfelder 2021

Obwohl ein großer Teil der Vorfälle rassistisch ist, gibt es ein großes Dunkelfeld an Alltagsrassismus. Aus Gesprächen mit Betroffenen geht hervor, dass ihnen Rassismus in so vielen Situationen begegnet, durch Worte, Beleidigungen, Gesten etc., dass sie nicht jeden Fall melden. Es werden eher Fälle bekannt, die mit Angriffen oder schweren Bedrohungen enden und somit u.a. durch Polizei- oder Pressemeldungen in die Öffentlichkeit gelangen.

Weiterhin gibt es im Bezirk Steglitz-Zehlendorf keine Beratungs- oder Anlaufstelle für LGBTIQ*-Personen. Dabei machen die Vorfälle von 2021 deutlich (2021: 7; 2020: 3), dass Menschen aus der LGBTIQ* Community auch in Steglitz-Zehlendorf von Diskriminierung betroffen sind, wie z.B. der Angriff auf eine queere Person im Mai 2021 oder Pöbeleien gegen die Teilnehmer*innen des CSD vor dem Rathaus Zehlendorf im Juli des Jahres 2021.

Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen gehen im Bezirk ebenfalls unter. 2021 wurde keine Diskriminierung gemeldet, was nicht bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen keine Diskriminierung erfahren. In Steglitz-Zehlendorf gibt es verschiedenste Einrichtungen, Arbeits- und Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen. Hier wird es 2022 Aufgabe des Registers sein, sich in diesen Einrichtungen bekannt zu machen und für das Problem des Ableismus zu sensibilisieren.

Dunkelfelder, also die Zahl der Vorfälle, die nirgendwo erfasst werden, bedeuten demnach nicht, dass im Bezirk Steglitz-Zehlendorf die genannten Diskriminierungsformen und Motive nicht vorkommen oder geschehen. Es bedeutet lediglich, dass diese Diskriminierungen zu wenig bekannt sind, dass es vor Ort keine sicheren Ansprechpartner*innen und Beratungsstellen gibt, an die Betroffene, Zeug*innen und Interessierte sich wenden können.

Aufgabe der Registerstelle, der Lokalpolitik und der Verwaltung sowie zivilgesellschaftlicher Initiativen muss es zukünftig also sein, Orte für Betroffene von Diskriminierung zu schaffen, an denen über die Erfahrungen mit Rassismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit, Ableismus und weitere Diskriminierungsformen offen und sicher geredet werden kann.

Der Jahresbericht, sowie die Analysen aus den anderen Bezirken können unter diesem Link angesehen und heruntergeladen werden. Bei Interesse an einer Druckversion melden Sie sich gerne beim Register SZ unter sz@berliner-register.de

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