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11.10.2022 Register Tempelhof-Schöneberg

2021 im Bezirk Tempelhof-Schöneberg


Berlinweit wurden 4841 Vorfälle im Jahr 2021 dokumentiert (2020: 3822). In Tempelhof-Schöneberg erfasste die Registerstelle im Jahr 2021 insgesamt 164 Vorfälle (2020: 132). Damit entfallen gerade einmal drei Prozent aller von den Berliner Registerstellen erfassten Vorfälle auf den Bezirk. Gegenüber dem Vorjahr (2021: 133) sind dies 30 Meldungen mehr. Im Berliner Vergleich ist Tempelhof-Schöneberg damit ein Bezirk mit wenigen dokumentierten Vorfällen. Dabei ist trotz einer sensibilisierten Zivilgesellschaftund engagierter Anlaufstellen vor Ort von einer Dunkelziffer und lokalen Blindstellen auszugehen.

Mehr Propagandaund Diskriminierung, weniger Angriffe und Bedrohungen

Der Anstieg der Vorfälle im Bezirk hat seine Ursache in Propaganda vorfällen (2021: 96; 2020: 56). Im Wahlkampf (Bundestagswahl, Abgeordnetenhauswahl, Wahl für die Bezirksparlamente) warben extrem rechte Parteien für ihre Wahlprogramme. Ein Teil der Propagandafälle hatte einen Bezug zur Covid-19-Pandemie und war antisemitisch und verharmloste den Nationalsozialismus. Im Gegensatz zu anderen Bezirken sind die Parolen, die in Tempelhof-Schöneberg geschmiert wurden, hemmungslos menschenfeindlich. Hakenkreuze oder die Parole „Nazi-Kiez“, die öfter geschmiert wurden, waren ebenfalls in anderen Bezirken zu finden. Aber in Mariendorf standen dort Vernichtungsfantasien wie „Das Dreckspack von Neukölln vergasen“ oder „Alles was nicht rein deutsch geboren ist nach Sachsenhausen ins Gas“.

Angestiegen sind neben der Propaganda die Fälle von struktureller Benachteiligung (2021: 14; 2020: 5). In 5 Fällen wurden Menschen aus rassistischen Gründen benachteiligt, in 9 Fällen waren Menschen behindertenfeindlich behandelt worden. In 5 dieser Fälle fanden die Diskriminierungen in der Schule statt. Die übrigen Vorfälle fanden im Jobcenter oder an Laden-Geschäften statt. Mangelnde Barrierefreiheit von Fußgängerbereichen und Bahnhöfen spielten ebenfalls eine Rolle. Eine Frau mit Rollstuhl teilte mit, dass es am Südkreuz kein Taxi gab, das Personen mit Rollstuhl befördern konnte. Die Frau hatte zuvor acht Taxiunternehmen angerufen.

Die Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien sanken (2021: 21; 2020: 37), ebenso wie die körperlichen Angriffe (2021: 17; 2020; 21). In beiden Kategorien fehlen für das Jahr 2021 Daten, zum einen von der Berliner Polizei (siehe Kasten zu Untererfassung S.xxx) und zum anderen von Inssan, einem Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit. Es sind vor allem rassistische Vorfälle, die weniger dokumentiert wurden. Durch die fehlenden Daten muss davon ausgegangen werden, dass der Rückgang auf die Untererfassung zurückzuführen ist und das Dunkelfeld wieder größer geworden ist.

Blick in die Ortsteile

Die meisten Vorfälle und der größte Anstieg gegenüber dem Vorjahr wurden für den Ortsteil Mariendorf verzeichnet (2021: 62; 2020: 44). Diese hohe Zahl ist auf Propagandavorfälle zurückzuführen (55). Sie waren NS-verharmlosend, rassistisch, antisemitisch, häufig mit Edding geschriebene Parolen und sie befanden sich an den Bushaltestellen Neumarkplan, „Goldes Horn“ und am U-Bahnhof Alt-Mariendorf. Es scheint sich in der Region um sehr wenige Einzelpersonen zu handeln, die für eine Vielzahl der Schmierereien verantwortlich sind.

Schöneberg-Süd lag mit 25 Vorfällen (2020:11) an zweiter Stelle. Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr ist ebenfalls auf Propaganda zurückzuführen. Auffällig in Schöneberg-Süd sind 5 Sachbeschädigungen, bei denen eine Regenbogenfahne an einer Kirchengemeinde zerstört, Türschlösser der Integrationsbeauftragten im Rathaus und der SPD-Fraktion in der Crellestraße verklebt wurden. Stolpersteine, ebenfalls in der Crellestraße, wurden zerkratzt und ein Chanukka-Leuchter am Bayerischen Platz beschädigt.

Im Ortsteil Schöneberg-Nord (2021:17; 2020: 30) waren in den Jahren vor der Corona-Pandemie LGBTIQ*-feindliche Gewaltvorfälle dokumentiert worden. Sexarbeiter*innen, die trans sind, und Besucher*innen des Regenbogenkiezes wurden attackiert. Mit der Pandemie kam ein Arbeitsverbot für Sexarbeiter*innen und Kneipen und Restaurants waren weniger geöffnet. Waren es 2019 noch 15 LGBTIQ*-feindliche Angriffe im Schöneberger Norden, sank die Zahl 2020 auf 6 und 2021 auf 5 LGBTIQ*-feindliche Angriffe. Hierbei ist bedeutend, dass aufgrund eines fehlenden Abgleichs mit den bei der Polizei angezeigten Straftaten von einer Untererfassung der Gewalttaten für 2021 auszugehen ist.

Im Ortsteil Tempelhof wurden mit 19 Vorfällen ungefähr so viele wie 2020 erfasst (2020: 21). Hervorzuheben sind hier zwei Vorfälle. Im August und im Juni wurden in der Zentralbibliothek des Bezirks Bücher beschädigt, die sich kritisch mit rechten Tendenzen in der Gesellschaft beschäftigten.

Im Ortsteil Friedenau wurden 10 Vorfälle (2020:5) erfasst, alles Propaganda, die mehrheitlich aus Hakenkreuzen oder antisemitischen Aufklebern bestand.

Lichtenrade mit 3 und Marienfelde mit 2 Vorfällen sind unauffällige Ortsteile. In Lichtenrade handelte es sich ebenso wie in Friedenau nur um Propagandavorfälle. In Marienfelde wurde eine Gedenktafel, die an jüdische Persönlichkeiten erinnerte, besprüht. Und an den Briefkasten des Kiezbüros von Harald Gindra, derfür Die Linke im Abgeordnetenhaus sitzt, wurde ein Aufkleber der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ geklebt.

22 Vorfälle konnten zwar dem Bezirk, aber keinem Ortsteil, zugeordnet werdenund wurden unter der Kategorie „Unbekannt/bezirksweit“ erfasst. Bei ihnen handelt es sich um Diskriminierungsfälle in Ämtern oder an Schulen, die von Beratungsstellen an die Register gemeldet werden. Hervorzuheben sind dabei 7 Vorfälle, die Menschen mit Behinderung stark eingeschränkten. Ihnen wurde entweder der Schulunterricht, der Schulwechsel oder der Zugang zu Geschäften verweigert, weil sie z.B. keine Maske tragen konnten.

4 Vorfälle ereigneten sich online. Im März und April erhielten mehrere Adressat*innen der Zivilgesellschaft aus dem Bezirk E-Mails, in denen rassistische Klischees über Menschen muslimischen Glaubens verbreitet wurden. Im Februar waren im Online-Unterricht eines Mariendorfer Gymnasiums Hakenkreuze und durchgestrichene Regenbogenfahnen im Notizbereich geteilt worden. Am Ostersonntag wurde zudem der Online-Gottesdienst der Evangelischen Gemeinschaft Alt-Schöneberg mit dem Einblenden von Hakenkreuzen und Geschlechtsteilen gestört.

Verstärkung der Netzwerkarbeit des Registers Tempelhof-Schöneberg

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Registerarbeit im Jahr 2021 war die Kampagne „nicht nur Held*innen melden!“ im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Ziel der Kampagne war, Menschen im Bezirk zu erreichen, die Vorfälle erleben, diese aber aus

unterschiedlichen Gründen nicht melden. Die Kampagne wurde in sozialen Netzwerken beworben und mit Plakaten, Flyern, Aufklebern und Postkarten begleitet. Es konnten zwei neue Anlaufstellen gewonnen werden: das MaLi -Flexibles Beratungsteam Marienfelde-Lichtenrade sowie das Kreisbüro von Bündnis 90 / Die Grünen Tempelhof-Schöneberg. Bei der Netzwerkarbeit nahm die Registerstelle als aktives Mitglied am Bündnisgegen Antisemitismus Tempelhof-Schönebergteil. Und es nahm Kontakt zum Beirat von und für Menschen mit Behinderung Tempelhof-Schöneberg auf, um die Realität von Menschen mit Behinderung im Bezirk verstärkt in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Diese Bemühungen trugen dazu bei, dass die Meldungen von behindertenfeindlichen Vorfällen im Bezirk stiegen. Des Weiteren wurde in Kooperation mit anderen Organisationen und Initiativen ein Flyer für Sexarbeiter*innen entwickelt mit dem Titel „Was zu tun ist bei Rassismus, Transfeindlichkeit und anderen Arten von Diskriminierung –ein Ratgeber für Sexarbeiter*innen“.

Im August 2021 wurde ein Kiezspaziergang in Marienfelde in Zusammenarbeit mit dem BENN-Team und dem MaLi-Projekt umgesetzt. Dabei wurden Stolpersteine aufgesucht sowie Orte, an denen Vorfälle passiert sind. Während der Veranstaltungsreihe „Crosskultur “im November organisierte die Registerstelle Tempelhof-Schöneberg mit dem „Jugend Museum“ eine Veranstaltung, bei der die Videodokumentation „Betroffene berichten, Erzählungen leben“ gezeigt und im Anschluss eine Podiumsdiskussion veranstaltet wurde. Das Register Tempelhof-Schöneberg war im Jahr 2021 verstärkt in den sozialen Netzwerken Twitter und Instagram aktiv. Dort wurden durch kontinuierliche Präsenz mehr Follower*innen gewonnen und die Reichweite des Registers ausgebaut.

Ob die Netzwerk-Aktivitäten des Jahres 2021 und die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit langfristig zu mehr Meldungen im Bezirk führen, wird sich in der Zukunft zeigen. Die neuen Kontakte, die vielen engagierten Menschen in Vereinen, in Initiativen, in der Lokalpolitik und der Verwaltung machen Hoffnung, dass Diskriminierung und Ausgrenzung aktiv entgegengetreten werden wird.

Beispielvorfälle

24. Oktober. 2021

Nachdem sich ein schwules Paar umarmt und geküsst hatte, wurde einer der Männer in der Nähe des U-Bahnhofs Nollendorfplatz in der Kleiststraße von einem Jugendlichen aus einer Gruppe heraus mit einer Schusswaffe bedroht.

Quelle: queer.de und rbb24.de

06.September.2021

Vier Arbeitskolleginnen, von denen drei als Menschen mit Migrationsgeschichte wahrgenommen werden, sind gegen 14 Uhr in einem Bus der Linie M46 in Marienfelde unterwegs. Sie sitzen am Ende des Busses in einer Sitzgruppe und unterhalten sich in gewöhnlicher Lautstärke. Darauf hinweist eine ältere Frau, die ebenfalls im Bus sitzt, sie zurecht, dass sie sich nicht so laut unterhalten sollten. Eine der angesprochenen Frauen, die die Lautstärke als angemessen empfand, geht daraufhin zu der älteren Frau und sagt ihr, dass sie den Eindruck hat, dass die ältere Frau aus rassistischer Motivation gehandelt hat. Diese bejaht den Eindruck der Frau und sagt, dass sie AfD-Wählerin sei.

Quelle: Berliner Register

30.April.2021

Drei Stolpersteine für Mitglieder der Familie Davidsohn wurden in der Crellestraße zerkratzt und mit Säure besprüht. Die Steine waren erst am Tag zuvor verlegt worden.

Quelle: Recherche-und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS)

22.März.2021

In der Nähe des U-Bahnhofs Alt-Mariendorf wurden zwei Hakenkreuze entdeckt und entfernt.

Quelle: Initiative „Hass vernichtet“

Für weitere Informationen:

Jahresbericht der Berliner Register für das Jahr 2021

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